Hermann Walenta: Zum 95. Geburtstag des österreichischen Bildhauers

 

„Walenta gehört zu den wenigen österreichischen Bildhauern und Malern, die nie der hierzulande üblichen Versuchung unterlagen, importierte Modernität biedermeierlich moderiert aufzuwärmen“, äußerte sich 2005 der Schrifsteller Michael Scharang dezidiert über den Künstler.

Hermann Walenta, der neben Josef Schagerl und dem etwas jüngeren Franz Xaver Ölzant zu den Doyens der niederösterreichischen (und österreichischen) Bildhauer zählt, wurde am 23. Jänner 1923 in Drosendorf geboren; er besuchte die Volks- und Hauptschule in Siegmundsherberg und Leopoldsdorf im Marchfeld; es folgte der Eintritt in die Lehrerbildungsanstalt der Schulbrüder in Strebersdorf, wo er nach einem halben Jahr wegen „Gefahr für die Mitschüler“ (er begeisterte sich für Leo Tolstoj und den Pazifismus) ausgeschlossen wurde. Infolge dessen wechselte er an die Lehrerausbildungsanstalt Wiener Neustadt. 1939 bis 1940 war er an der Fachschule für Holzbildhauerei in Hallstatt. Von 1940 bis 1941 und, nach kriegsbedingter Unterbrechung, von 1945 bis 1948 studierte er an der Akademie der bildenden Künste in Wien bei Josef Müllner und Fritz Wotruba. Seit 1948 arbeitet er als freier Künstler für kurze Zeit in Alpbach /Tirol, von 1955 – 1972 in Wien, von 1972 bis 2001 in Drosendorf/Taya und seit 2001 in Riegersburg.

 

War noch bis 1949 der menschliche Körper Thema seiner frühen Arbeiten („Sitzender“, Kunststein, 1949), so findet Walenta ab 1950 rasch zur Abstraktion. Seine skulpturalen Werke, basierend auf vielfältigen Materialien wie Stein, Serpentin, ab den 1970er Jahren zunehmend Holz, Bronze, Aluminium, Marmor oder Alabaster bis hin zu Plexiglas und Polyester, entwickeln sich zu organisch-botanischen Formen („Gewächs“, 1953; „Flora Mystica“, 1955), zu morpho-und biogenetischen Gestaltungen, bei denen auch der menschliche Körper thematisiert wird („Embryonales“, 1970; „Feminines Morphem“, 1977; „Liegende“, 1979).

 

Wie überhaupt das Spannungsfeld und Verhältnis von Mensch und Natur etwas Grundsätzliches in Hermann Walentas ́ Werk sind. Hier wurzelt das Künstlerische im Selbstverständnis des Unbewussten; Walenta begreift Kunst als „Medium des Unbewussten“ im Sinne eines „ganzheitlichen Erfassens des Lebens“ und damit auch der Natur. In seinen verschiedenen Essays zur Kunst heißt es dazu einmal eindringlich: „Die Fülle des Lebens aber ist  U n v e r n u n f t  im wahrsten und eigentlichsten Sinn des Wortes, auf der unsere Vernunft als Irrlicht flackert und allzu oft an der Unbändigkeit des Lebens verlischt.“ Künstlerische Formfindung ist Weltfindung aus dem Spirit des Unterbewussten als eigentliche schöpferische Kraft.“

 

Dies gilt auch für Walentas ́ Graphiken, Zeichnungen und ab den 1970er Jahren auch zunehmend für seine Ölmalerei. „Biogenese“ (1979) betitelt er ein Ölgemälde. Farbintensiv werden Mythen („Nordischer Totem“, 1980) ebenso thematisiert wie Fragen nach dem Ursprung des Lebens. Die organischen, oft sehr subtil skizzierten Formen erinnern an Synaptisches unseres Gehirns, an Mikrophyten (so auch der Titel eines Werkes von 1996). Das typische, oft in den 50er Jahren wurzelnde Formenvokabular, eröffnet in der Malerei, in Zeichnung und Grafik für Hermann Walenta die Möglichkeit neue Seinsfragen zu reflektieren, wobei der Begriff der „Spur“ in visuell-bildnerischer Hinsicht Relevanz erfährt. Ins Kosmische gehend, sind Linien, Striche in seinem Werk so etwas wie Fährten zum Unbewussten, Grapheme mythologischer Weltgewinnung.

 

Viele seiner Werke befinden sich in öffentlichen Räumen, vor allem in Wien, in privaten und öffentlichen Sammlungen; Ausstellungen vom Barockschloss Riegersburg bis Paris, von Wien bis München, von Venedig bis St. Pölten, Teilnahmen an österreichischen und internationalen Bildhauersymposien in den 1960er bis 1990er Jahren, zahlreiche Auszeichnungen, u.a. der Kulturpreis des Landes Niederösterreich (1977) sowie zahlreiche Publikationen verweisen auf ein Oeuvre, für das es Zeit ist, es (wieder) zu entdecken. Das Hermann Walenta auch ein „homme de lettres“ ist, zeigen zahlreiche lyrische und essayistische Texte und sollte nicht übersehen werden.

 

Carl Aigner, Museum Niederösterreich

Hermann Walenta: Werke, Löcker Verlag, Riegersburg 2005